Fuchsfeder Nr. 6: Pläne machen, Pläne verwerfen, Pläne anpassen – was Selfpublishing mit Projektmanagement zu tun hat
Im Januar 2025 soll meine zweite Novelle im Selfpublishing erscheinen. Während das Schreiben eine künstlerische Tätigkeit ist, ist die Buchveröffentlichung eher mit Projektmanagement vergleichbar. Als ich 2022/23 eine Weiterbildung zum Scrum Master machte, belegte ich zusätzlich einen Kurs mit dem vielversprechenden Namen „Was ist Projektmanagement?“ Kann ja nicht schaden, mit den blutigen Basics anzufangen. Und in der Tat war der Kurs spannender als gedacht, was sicher auch an dem freundlichen und geduldigen Dozenten lag.
Um euch zu erklären, was Projektplanung im Selfpublishing bedeutet, fange ich also erstmal beim Anfang an: Was ist ein Projekt? Jetzt fasst ihr euch wahrscheinlich an die Stirn und denkt euch „Hält die mich für so uninformiert?“ Ganz und gar nicht – das Wort „Projekt“ wird umgangssprachlich in den letzten Jahren gern für alles mögliche genutzt. Klingt halt schick. Beispiel: „Ach, dieses ständige Ärzt*innen hinterher rennen ist doch ein Projekt für sich!“
Nervig ist es, ein Projekt allerdings nicht. Wieso nicht? Weil ein Projekt immer ein Anfang und ein Ende hat. Neben der zeitlichen Begrenzung gibt es meist auch eine finanzielle, nämlich das Budget. Zudem ist nicht jedes Projekt gleich, sodass es unterschiedliche Management-Ansätze gibt. Dazu später aber mehr. Wir wissen nun: Ein Projekt hat Anfang und Ende und meist ein Budget. Außerdem ein Projektziel.
Jetzt denkt ihr wahrscheinlich wieder: „Naja, das Projektziel bei Selfpublishing ist halt ein Buch?“ Klar, aber was für eines? Welches Format hat euer Buch (Höhe mal Breite in mm), wird es ein Taschenbuch, ein Paperback mit oder ohne Klappenbroschur, ein Hardcover? Wer gestaltet das Cover bzw. den Umschlag? Wer übernimmt Lektorat, Korrektorat und Buchsatz? Uff, so viele Fragen. Wie fängt man da am besten an, wenn man noch nicht weiß, was für ein Buch genau man herausgeben will?
Hier haben es Neulinge auf dem Buchmarkt vermutlich schwerer, denn ich habe bei Anfänger*innenfragen viel auf mein bestehendes Netzwerk zurückgegriffen, in dem sowohl Verlagsautor*innen als auch Selfpublisher*innen sind. Bis zu einem gewissen Punkt kann man sich durch Googeln und Blogartikel informieren, aber wenn man z.B. Tipps möchte oder Vergleiche ziehen möchte, fragt man am besten die, die schon mehr Erfahrung haben („Fandest du Coverdesignerin X gut? Was hat dir am besten gefallen?“)
Nach dem Zusammentragen der Infos für die Teammitglieder ist die nächste Frage: Wähle ich einen Distributor und wenn ja, welchen? Hier könnt ihr ausführlicher nachlesen, wieso ich mich für zwei Distributoren für Print bzw. eBook entschieden habe. Die Kurzversion: Ein Distributor nimmt euch Aufgaben um Versand und Vertrieb ein wenig ab und kassiert dafür eine Grundgebühr. Die Urheber*innenrechte verbleiben natürlich bei euch, denn im Gegensatz zu (seriösen!) Verlagen übernehmen Distributoren keine weiteren Aufgaben eines Verlags.
Nun habt ihr geklärt, wer in eurem Team „Selfpublishing Buch X“ mitarbeitet und welche(n) Distributor(en) ihr nehmt. Wenn ihr eure Teammitglieder angefragt habt, habt ihr hoffentlich auch schon nach Preisen gefragt. Nein? Dann holt das jetzt nach. Wozu? Um euer Budget ungefähr abschätzen zu können. Die meisten Selfpublisher können nicht unendlich Geld in ihr Buch investieren, zumal der Buchmarkt jedes Jahr übersättigter wird und es dadurch immer schwieriger wird, die Bücher dann auch zu verkaufen.
Ich persönlich bin kein Fan davon, das Budget von Anfang an zu deckeln – aber wenn ihr sagt, mehr als so und so viele Euro sind wirklich nicht drin, dann bezahlt eure Teammitglieder bitte trotzdem fair! Dafür könnt ihr vielleicht auf das ein oder andere Goodie verzichten – hier findet ihr eine kleine Anleitung dazu. Gerade das Lektorat ist meist nicht günstig, aber sofern eure*r Lektor*in den einen guten Job macht, wird es sich lohnen. Hier kommen wir bereits zur ersten Herausforderung: Pläne machen ist wichtig, Pläne anpassen können wichtiger. Beispiel gefällig?
Für mein Debüt „Das Azurblau deiner Worte“ hatte ich ganz vorbildlich Lektorat, Korrektorat, Coverdesign und Buchsatz gebucht. Für mein zweites Buch DvH habe ich das Korrektorat weggelassen. Wieso das? Weil das Lektorat zu DvH so komplex wurde, dass ich spontan eine dritte Runde hinzugebucht habe (zum Glück ging das, plant am besten Zeitpuffer ein, falls das entsprechende Teammitglied nicht direkt Zeit für die Zusatzrunde hat). DvH wurde nicht nur komplexer, sondern auch teurer durch die dritte Runde Lektorat.
Zudem war ich fachlich leider nicht überzeugt von meiner letzten Korrektorin – meiner Ansicht nach sind ihr einfach zu viele Fehler durchgerutscht, ich habe noch einige im Buchsatz selbst gefunden. Schade, denn menschlich/organisatorisch war alles super. Aber ich gebe nicht mehrere hundert Euro dafür aus, dass die Hälfte der Fehler durchrutschen. Auch das ist Projektmanagement: manchmal harte Entscheidungen gegen jemanden oder etwas treffen. Das gehört dazu, schließlich seid ihr als „Projektleiter*in“ dafür zuständig!
Die Entscheidung gegen das Korrektorat führte zu höherem Abstimmungsaufwand mit meiner Buchsetzerin, da dieses Mal das Korrektorat als „Puffer“ zwischen Lektorat und Buchsatz fehlte. Ich denke, für DvH war die Entscheidung richtig, generell würde ich aber nicht dazu raten, das Korrektorat wegzulassen. Es ist eine wichtige Zwischenstufe zwischen dem „Durchackern“ des Texts im Lektorat und dem „oberflächlichen Draufschauen“ im Buchsatz. Nicht vergessen: Buchsatz ist primär eine grafische/gestalterische Sache, hier sollen nur noch minimale Eingriffe in den Text (z.B. falsche Silbentrennung oder verrutschter Zeilenanfang) vorgenommen werden.
Wir merken uns also: Entscheidungen treffen und daraus folgende Konsequenzen bedenken. Wo Geld gespart wird, kommt an anderer Stelle mehr Arbeit zu Tage, wenn das Endprodukt „Buch“ weiterhin einen qualitativen Standard erfüllen soll. Puh, klingt ziemlich kompliziert! Ist es aber nicht. Projektmanagement ist komplex, nicht kompliziert. Was ist da der Unterschied, fragt ihr euch vielleicht? Er liegt – ähnlich wie bei der inflationären Nutzung des Worts „Projekt“ auch hier in einer Unschärfe der zwei Worte „kompliziert“ und „komplex“. Fassen wir zunächst noch einmal zusammen:
- klarer Beginn und klares Ende (Tagesgeschäft oder „Linienaufgaben“ zählen nicht dazu, weil sie sich ohne Anfang und Ende regelmäßig wiederholen)
- Budget (Geld, Zeit, Personal)
- Projektziel (Taschenbuch mit Inhalt X am Tag Y bei Distributor Z veröffentlichen, Zielpublikum ist definiert)
- ist komplex (jede getroffene Entscheidung beeinflusst an anderen Punkten das Projekt, Pläne werden gemacht, Dinge gehen schief, neue Pläne werden gemacht)
- ist nicht kompliziert (kompliziert: Uhr zusammenbauen, viele Teile, aber immer gleiches Vorgehen. Kompliziert = vorhersehbar, komplex = (teils) nicht vorhersehbar)
Neben den Entscheidungen gibt es auch viel Kommunikation zu stemmen. Meist erfolgt diese per Mail. Wenn ihr die Möglichkeit habt, z.B. auf Buchmessen oder in Form angebotener Gespräche eure Teammitglieder persönlich oder per Videocall kennen zu lernen, nutzt diese Chance unbedingt! Ja, man arbeitet professionell zusammen. Aber es sitzen immer noch Menschen am anderen Ende der Mail, bitte vergesst das nicht. Nach zweimaliger Erfahrung habe ich einen kleinen Geheimtipp für euch bezüglich der Teammitglieder.
Und zwar fiel mir sowohl bei DAdW als auch DvH auf, dass der Abstimmungsaufwand zwischen Coverdesign und Buchsatz besonders hoch ist. Warum? Weil der Umschlag eines Buchs mit dessen Inhalt grafisch interagiert. Inwiefern? Zum Beispiel bei den Schriftarten, grafischen Elementen im Cover/Umschlag, die als Kapitelzierde ein Thema/Motiv wieder aufgreifen etc. Überhaupt nehme ich Buchsatz als eine eher grafische als textliche Arbeit wahr. Viele Coverdesigner*innen bieten zudem auch Buchsatz an. Schaut dafür am besten ins Portfolio auf der jeweiligen Website und/oder fragt nach.
Durch meine Depression fiel es mir manchmal neben dem Bewältigen aller Alltagsaufgaben (Linienaufgaben!) schwer, mich auf kleine Details zu konzentrieren. So sind beim Projektmanagement zu DvH vermeidbare Fehler passiert: Ich schickte meiner Buchsetzerin eine Worddatei, in der einfach drei Seiten fehlten. Die fielen mir dann im Buchsatz auf – mein Hirn hatte anscheinend für die grafisch aufbereitete Textversion wesentlich mehr Aufmerksamkeit übrig als für „Worddokument, die Achte“. Tja, drei Seiten nachträglich einsetzen war kein großes Problem – aber mit Mehrkosten verbunden.
Auch beim Umschlag gab es anfangs Probleme. Ich übermittelte meiner Coverdesignerin schon im Oktober die Maße für Buchrückenbreite etc. Der Buchsatz mit der tatsächlichen Seitenzahl wurde aber erst im November fertig, u.a. dank meines Missgeschicks mit den fehlenden drei Seiten. Durch die paar Seiten Unterschied änderten sich auch die Buchrückenbreite und noch zwei andere Daten (Tolino berechnet diese automatisch, wenn ihr im Dropdown-Menü die entsprechenden Angaben macht). Hieß: Nochmals die neuen Maße an die Coverdesignerin schicken und nachkorrigieren lassen. Kein großes Problem, aber mit Mehrkosten verbunden.
Vielleicht versteht ihr jetzt, wieso ich es schwierig finde, die Kosten von Anfang an zu deckeln: Fehler sind menschlich, aber sie kosten Geld (und Zeit, aber die sollte man fürs Projektmanagement „Buch“ sowieso in Massen mitbringen). Und Projektmanagement ist nicht kompliziert, aber durchaus komplex. Mir macht es meist großen Spaß, mir die ganzen Möglichkeiten auszudenken, die Wege, die eine bestimmte Entscheidung gehen kann. Manchmal ist es auch schwierig und hart, Entscheidungen zu treffen. Aber das gehört dazu.
Hier noch ein spannender kleiner Exkurs für die, die noch etwas mehr über „Projektmanagement“ lernen möchten. Zu Beginn dieser Fuchsfeder schrieb ich von verschiedenen Arten des Projektmanagement. Welche Arten gibt es und welche benutze ich fürs Projekt „Selfpublishing von DvH“? Wer Interesse hat, klappt bitte per Klick auf den Pfeil die Box auf, wer nicht, scrollt bitte weiter.
Die drei Arten des Projektmanagement (PM)
- Klassisches PM, dieses arbeitet mit Meilensteinen und Projektzielen/Deadlines. Meilensteine sind kleine Zwischen-Deadlines, die mit bestimmten Projektmitteln (Personal/Budget/Arbeitsstunden) zu einem bestimmten Termin erreicht werden müssen. Klassisches PM macht am meisten Sinn bei Projekten, die von Anfang an ein klares Ziel haben, z.B. Hausbau
- Agiles PM, z.B. Scrum und OKR („Objectives and Key Results“).
--> Scrum, worin ich die Weiterbildung gemacht habe, kommt ursprünglich aus der IT und wird bis heute gern zum Programmieren von Apps genutzt. Es kann jedoch auch gut z.B. fürs Katastrophenmanagement genutzt werden. Hier ist das Endziel nicht klar („irgendwie eine App zur Verbindung von Hundehalter*innen zum Gassigehen“ ist kein klares Projektziel!) und man hangelt sich mit regelmäßig gesteckten Zwischen-Checkups durch das Projekt durch. Bei Scrum sind das Sprint Planning, Dailys, Sprint Review und Sprint Retrospective. Diese erfolgen in einem Turnus von maximal 30 Tagen.
--> Bei OKR ist dieser Turnus auf 3-4 Monate ausgeweitet, es werden „objectives“ gesetzt und alle 3-4 Monate die „key results“ ausgewertet. Die „objectives“ werden bewusst hoch angesetzt, sodass ca. 60-70% am Ende einer OKR-Periode erreicht werden sollten. Die geschafften Aufgaben sowie die verbliebenen 30-40% werden bei der Auswertung ins Auge genommen und neu priorisiert, falls sie noch nicht erledigt sind.
- Hybrides PM. Dieses mischt klassisches PM mit agilem PM. Möglich wäre das z.B., wenn man eine App mit Scrum programmiert, für das Marketing zu dieser App jedoch klassisches PM nutzt (da bei Marketing das Projektziel von Anfang an klar sein sollte: „Wir bewerben App X und wollen damit Y Personen in Z Zeit erreichen, unsere Verkäufe von A auf B steigern“ usw.)
- Fürs Projektmanagement „Selfpublishing“ war mein Projektziel von Anfang an ziemlich klar. Ich habe also klassisches PM genutzt.
- Was genau wird mein Endprodukt? Welches Format hat mein Buch? Setze ich einen oder mehrere Distributoren ein und wenn ja, welche?
- Wer wird Teammitglied? Welche Arbeit(en) mache ich selbst (kostet Zeit und Nerven) und welche gebe ich ab (kostet Zeit und Geld)?
- Was ist die finale Deadline, also der Erscheinungstermin? Was für Meilensteine habe ich bis dahin (kleine Zwischendeadlines, z.B. „Lektorat fertig“, „Umschlag für Print fertig“, „Buchmarketingmaterial bestellt“)? Hier gilt: Immer mindestens zwei Wochen Puffer einplanen, da Menschen krank werden, Lieferungen sich verzögern, Kommunikation eingeplant werden muss (3 Werktage zum Beantworten einer Mail sollten als selbstverständlich gelten, und zwar beidseitig!)
- Was ist das Budget? Deckle ich dieses von Anfang an und verzichte damit z.B. auf Nachkorrekturen? Was ist mir wichtiger: hohe Qualität halten und ggf. mehr Geld ausgeben oder Geld deckeln und ggf. Qualität senken?
- Worauf kann ich verzichten? (z.B. Werbereel, Charakterkarten, zusätzliche Goodies für Blogger*innen, ...)
Ich hoffe, dieser kleine Ausflug ins Projektmanagement hat euer Interesse geweckt und konnte euch ein wenig über die Wartezeit auf DvH hinwegtrösten. Ich habe mich sehr über die zahlreichen Abstimmenden für meinen Cover Reveal zu DvH auf Instagram gefreut, der dort im Dezember stattfinden wird. Für die, die schon einen (instagramfreien) Schnipsel sehen möchten, einmal hier entlang, bitte. Euch allen eine schöne Herbst-/Winterzeit und wir lesen uns bald wieder in der nächsten Fuchsfeder!
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