Newsletter-Sonderedition: Von zu bequemen Sesseln, Moderator:innen, Bier und Pommes Schranke

Newsletter-Sonderedition: Von zu bequemen Sesseln, Moderator:innen, Bier und Pommes Schranke
Foto von David McIntyre

Wann wart ihr das letzte Mal auf einer Lesung? So richtig mit anderen Menschen in demselben Raum, mit einem leckeren Getränk in der Hand und der Aussicht auf Pommes Schranke, Döner oder Falafel ums Eck? Viel zu lange her? Dann haben wir etwas gemeinsam.

Dass ich das letzte Mal vor physisch anwesenden Menschen gelesen habe, ist nämlich auch viel zu lange her. Ich glaube, es war 2018, auf einer Lesung, die ich in der Lettrétage mit Mitgliedern meiner damaligen Autor:innengruppe selbst organisiert hatte. Seitdem weiß ich, wie viel Arbeit so eine Lesung eigentlich macht – Location klarmachen, mit den anderen Lesenden im Kontakt bleiben, Aufgaben verteilen (Brauchen wir ein Mikro? Woher bekommen wir eins? Wo sind Stromsteckdosen für die Beleuchtung? Auf was für Stühlen sollen die Lesenden und der:die Moderator:in sitzen?).

Ganz wichtiger Stichpunkt: Moderator:in. Nichts ist merkwürdiger, als sich auf einer Lesung selbst anzukündigen. "Ja, ähm, hallo, ich bin die Jenny, und ich schreibe schon, seitdem ich 12 Jahre alt bin. So wie vermutlich jede:r Zweite. Äh, und naja, lebe seit 2010 in Berlin. Spannend, oder? So, äh, jetzt fang' ich einfach mal an." Autsch!

Foto von David McIntyre

Ich glaube ja, sich selbst moderieren ist ein bisschen so wie sich selbst malen: Irgendwie und zur Not geht es, aber man sieht immer etwas angespannt und unvorteilhaft dabei aus. Wie gut, dass ich weiß, wie hervorragend die Berlin Authors moderieren. Davon konnte ich mich erst neulich im April bei meiner ersten Offline-Lesung seit Pandemiebeginn überzeugen: Der "Bier und Buch", die in Berlin-Wedding stattfand – auch damals in einem Brauhaus.

"Neulich" ist übrigens auch eine gute Überleitung zur Location für den 17. September: Wie auch schon im November 2021, als die damals neue Anthologie Großstadtgeheimnisse (übrigens auch mit einem Text von mir darin) Release hatte, findet auch dieses Jahr die Lesung im Brauhaus Neulich in Berlin-Neukölln statt.

Aber was ist neben guter Moderation eigentlich wichtig für eine Lesung – aus Sicht von Lesenden? Da ich seit 2016 an mehreren Live-Lesungen teilgenommen habe, hier eine kleine Liste:

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Immer und auch in kleineren Räumen: ein Mikro! Sonst versteht ab der 2. Reihe der hoffentlich zahlreichen Gäste niemand mehr ein Wort. Und ständig Schreien fällt insbesondere weiblich gelesenen Lesenden oft schwer und macht die Stimme kaputt.
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Ein Glas Wasser in Greifnähe. Ich gehöre zu den Menschen, die unheimlich durstig werden, wenn sie nervös sind. Zudem kommt der Hustenanfall (hoffentlich kein Corona) gerne genau zwischen dem zweiten und dritten Absatz des Textes vorbei.
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Ausreichend Licht! Auch wenn wir Schreibenden/Lesenden unseren Text hoffentlich häufig überarbeitet haben, kennen wir meist nicht jedes Wort auswendig. Außerdem heißt das mit dem Text auswendiglernen immer noch Schauspielern. Wir sind dazu da, einen Text möglichst lebendig vorzulesen. Dafür hilft es, wenn wir ihn sehen können.

Das sind die blutigen Basics, ohne die es nicht geht. Was sind Bonus Features, die uns Lesenden das Leben erleichtern?

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Ein aufmerksames Publikum. Nichts macht mehr Spaß, als in gespannte Gesichter zu blicken, gelegentlich beim Lesen hochzuschauen und zu sehen, dass zumindest die Hälfte noch nicht im Tiefschlaf schnarcht. Aber hey, psst: Ich mache als Zuhörerin oft die Augen zu. Nicht, weil mich der Text langweilt, sondern weil ich so konzentrierter zuhören kann. Ich hoffe aber, man merkt mir an, dass ich nicht schlafe. Falls nicht: Sorry, jetzt wisst ihr Bescheid!
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Ein Stuhl, auf dem man einigermaßen aufrecht sitzen kann. Ihr glaubt nicht, wie oft ich auf Sesseln Platz nehmen durfte, in denen ich mit meinen 1,65 m fast völlig verschwunden bin. Das hat zwei Nachteile: Erstens sieht mich das Publikum so schlechter und zweitens bekommt mein Zwerchfell kein Platz, wenn ich gefühlt zwei Meter nach hinten rutschen muss bis zur Rückenlehne. Wozu brauche ich mein Zwerchfell? Na, zum Atmen und Stimme bilden. Trotz Mikro ist das wichtig, damit ich über den gesamten Zeitraum gleichmäßig klar artikulieren kann und meine Stimme nicht erschöpft.
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Fotograf:innen. Die Lesung kann noch so schön gewesen sein, wenn die Nachwelt nichts davon mitbekommt, was hat es dann gebracht? Das Publikum hört für zwei Stunden zu, geht (hoffentlich zufrieden und mit Pommes Schranke im Bauch) nach Hause – und danach verschwindet alles in der Versenkung. Die ganze Arbeit, der Aufwand aller – verpufft. Jetzt mögt ihr denken: Ach, passt schon, mein:e Freund:in ist ja sowieso als Zuhörer:in da und macht halt ein paar Handyfotos. Dass die meisten Handykamera-Fotos bei meist schummrigem Licht (das Licht sollte auf der Bühne sein, im Publikum ist es dem entsprechend eher dunkel) ziemlich sch*ße werden, bedenken die wenigsten. Ein verschwommenes Bild auf seinen Instagram-Kanal oder seine Homepage zu packen, macht einfach weniger Spaß. Wie gut, dass die Berlin Auhors an sowas denken (und ich sogar eines der Fotos von David McIntyre für diesen Newsletter verwenden darf – vielen Dank!).

Der Text, aus dem ich lesen werde, ist übrigens "Die Gabel", eine Psychothriller-Kurzgeschichte, die im Dezember 2020 in der Anthologie "Großstadtklänge" erschien. Es fand zwar eine Online-Lesung auf Twitch statt, jedoch vor recht kleinem Publikum. Online-Lesungen sind eine sehr andere Sache als Offline-Events. Ich glaube, ich bin doch mehr für den direkten Kontakt mit dem Publikum zu haben. Zur Not verschwinde ich dafür auch wieder im Sessel. Und ihr? Seid ihr bereit, euch auf eure erste Lesung seit Ewigkeiten zu trauen? Dann kommen zum Schluss nochmal die Hard Facts:


Wann? Am Samstag, den 17. September ab 19.30 Uhr (Einlass ist ab 19 Uhr – wer einen Sitzplatz möchte, kommt schon dann, weil es erfahrungsgemäß eng wird)

Wo? Im Brauhaus Neulich, Selchower Straße 20, 12049 Berlin

Kosten? Eintritt frei, kostet nur die Überwindung, hinzugehen ;)

Was? Sechs Lesende, die in den bisher erschienenen drei Anthologien der Berlin Authors veröffentlicht haben (Großstadtgefühle, Großstadtklänge und Großstadtgeheimnisse)

Ablauf? Drei Leute lesen, Pause, drei weitere Leute lesen (ich bin als Nummer fünf dran)

Warum kommen? Weil endlich wieder Offline-Event, cool klingende Brauerei, und weil Kunst und Kultur vom Austausch leben – und der ist nun endlich wieder live und in Farbe möglich. Also worauf wartest du? Komm vorbei, lehn dich zurück und lausche den Texten!


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