Newsletter-Sonderedition: Bonus-Szene „Das verwinterte Herz“, Teil 1/2

Ein Zitat aus dem Buch "Das verwinterte Herz" von Jennifer Pfalzgraf. Der Protagonist wendet sich an mögliche Leser*innen.

Ihr Lieben, ich hatte es bereits in der letzten Fuchsfeder angekündigt: Für alle, die "Das verwinterte Herz" bereits gelesen haben oder die sich an kleineren Spoilern fürs Ende nicht stören, gibt es heute eine Bonus-Szene mit Miłosz und Germaine. Viel Spaß beim Lesen und hoffentlich bis zu Teil 2 - dieser folgt bald!

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Achtung! Dieser Text enthält milde Spoiler für das Ende von "Das verwinterte Herz". Ich empfehle, den Text erst zu lesen, wenn du das Buch fertig hast.

Content Notes:
- sexuelle Anspielungen und Küssen
- Umarmung von hinten (mit Consent)
- Gestank und verschimmeltes Essen
- Morden nach Auftrag (kurze Erwähnung)
- Verfolgung und Polizeigewalt an Magiebegabten (kurze Erwähnung)
- Waffen (kurze Erwähnung)

Germaine seufzte und starrte den schimmligen Käse an, die Hände in die Hüften gestemmt. „Ich habe mir schon gedacht, dass wir den nicht schnell genug aufessen können. Das Wetter ist einfach zu warm gerade!“ Mit dem Handrücken wischte sie sich den Schweiß von der Stirn.
Miłosz, der im Gegensatz zu Germaine auf einem Stuhl saß, grinste und zeigte auf den Käse. „Durch Anstarren wird er leider nicht wieder gut. Ich könnte dir aber beibringen, wie man das mit Magie löst.“
Früher hätte Germaine bei seiner Bemerkung die Augen verdreht, doch seit ein paar Monaten waren sie und Miłosz ein Paar. Sie hatte herausgefunden, dass sie tatsächlich Magie wirken konnte. Und, dass das Erlernen deutlich schwieriger war als gedacht. Aber aufgeben – das war keine Option. Nicht umsonst hatte sie es als Frau geschafft, sich zur Auftragsmörderin ausbilden zu lassen.
„Ich könnte schwören, dass du deinen Wissensvorsprung mir gegenüber gnadenlos ausnutzt“, sagte sie und lief auf ihn zu, bis sie direkt vor seinem Stuhl zu stehen kam, „aber das würde dir sicherlich nie einfallen, wo ich doch deine liebste Rosendorne bin, oder?“
Miłosz rutschte auf die Stuhlkante, legte beide Hände um ihre Hüften und blickte zu ihr hoch. „Auf gar keinen Fall nutze ich irgendetwas aus. Du wirst mir immer darin überlegen zu sein, äh … Menschen zu töten.“
„Was du nicht sagst. Wie erwecke ich ihn denn wieder zu neuem Leben, mein edler Lehrmeister?“
Der junge Magier stand auf und sie machte ihm Platz. Er strich sich das goldblonde Haar aus der Stirn und legte die Hände übereinander. Dann räusperte er sich und ging auf den Holzdielen ihrer Unterkunft auf und ab, während vor dem kleinen Fenster das Tageslicht langsam aus den Straßen kroch. Hoffentlich würde es bald kühler in diesem Zimmer werden. „Erst einmal musst du überlegen, was du überhaupt alles an dem Käse verändern müsstest“, sagte der junge Magier. „Was zeichnet frischen Camembert aus? Was unterscheidet ihn von der schimmligen Variante?“
Germaine zuckte die Schultern. „Ich, äh … muss den Schimmel irgendwie rausbekommen?“
„Exakt.“ Miłosz hatte das Ende des Raums erreicht, machte auf dem Absatz kehrt und drehte um. „Als nächstes musst du überlegen, wohin mit dem Schimmel.“
„Wie – wohin? Braucht der Schimmel einen Altar, oder was?“
„Naja, er löst sich nicht einfach in Luft auf. Du musst bestimmen, wo er hingeht.“
„Muss das Ziel in meiner Sichtweite sein?“
Der Magier blieb stehen und ein letzter Strahl Sonnenlicht traf auf seine Augen, sodass diese grünlich schimmerten. „Das Risiko, dass etwas schiefgeht, ist geringer, wenn das Ziel in deiner Sichtweite ist. Deine Mutter hatte dir bereits erklärt, dass Magie umgeleitete Energie ist. Du kannst dir die Energie wie unsichtbare Bahnen in der Luft vorstellen.“ Miłosz lief zu der Wand und legte seine Hand darauf. „Sogar durch Wände hindurch führen diese Energiebahnen, sodass zum Beispiel auch Kälte und Feuchtigkeit durch Wände durchsickern können.“
Germaine nickte. „Also lieber einen Platz an dieser Wand suchen, für den Schimmel? Aber dann starrt er mir von dort entgegen – ist das nicht ungesund?“
Das schelmische Lächeln, das sie inzwischen kannte, hob einen seiner Mundwinkel an. „Na, du kannst den Schimmel mit einem alten Tuch einfach von der Wand wischen.“
„Oh.“ Sie mochte es nicht, wenn seine Denkweise ihrer überlegen war, aber da er viele Jahre Vorsprung im Zaubern hatte, musste sie es wohl oder übel akzeptieren. Germaine zog die Brauen zusammen. „Also habe ich schon einen Platz gefunden, an den ich den Schimmel leiten kann. Was noch?“
Miłosz nahm die Hand von der Wand und zeigte damit wieder auf den Käse. „Geh ruhig näher ran, betrachte ihn aufmerksam und riech dran.“
Sie verzog das Gesicht. „Er ist schimmlig.“
„Germaine de Saint-Nazaire, du bringst beruflich Menschen um. Du wirst doch wohl noch zwei Sekunden an schimmligem Käse riechen können?“
Grummelnd stapfte sie zum Käse hinüber und hob das Holzbrett hoch, auf dem der Käse lang, vorsichtig bedacht, ihn nicht anzufassen. Mit gerunzelter Stirn betrachtete sie den halbierten Camembert von allen Seiten, bis sie sowohl den weißen, gezüchteten Schimmel vom Rand als auch die grünen, ungewollten Schimmelsporen sah. Der Geruch erinnerte leicht an Schweißfüße – etwas, das ihr Dank des sommerlichen Wetters derzeit öfters in die Nase stieg. Dafür konnte man von diesem kleinen, miefenden Kaff in wenigen Minuten an die Loire, wo sich auf Wiesen und Bäumen gerade sattes Grün mit duftenden Kräutern mischte.
„Danke, der Gestank wird mich bis in meine Alpträume heute Nacht verfolgen. Und jetzt?“
„Du sagst es selbst – Gestank. Was machst du damit?“
Sie stellte das Holzbrett wieder ab und ließ den Blick über das Bett schweifen, dann über den Tisch mit Beuteln voller seltsamer Pülverchen und Fläschchen dubioser Herkunft sowie über den zweiten Stuhl, über den sie ihren Waffengürtel gehängt hatte. „Den Gestank über eine Energiebahn aus dem Zimmer leiten?“
„Sehr gut.“ Ein Lächeln – dieses Mal ohne jeglichen Schalk – erhellte sein Gesicht und die Augen erstrahlten in einem warmen Braun. Ob sie sich jemals an diese changierenden Schildkrötenpanzeraugen gewöhnen würde?
„Und wohin leite ich den Gestank?“
Miłosz schielte in Richtung des Nachttopfs, der unter ihrem Doppelbett stand. Zum Glück mit einem Deckel darüber. „Mir würde da so ein Ort einfallen.“
„Die Sickergrube draußen?“
Er nickte.
„Aber – dann müsste der Gestank durch die Wand und du meintest vorhin, wenn das Ziel außerhalb der Sichtweite ist, wird die Energie eher fehlgeleitet?“
Der Magier setzte sich auf den Stuhl, dieses Mal rittlings, und legte die Arme auf der Lehne ab. Vielleicht lag es an seinen eingesunkenen Schultern oder daran, wie er die Augen senkte, um die vom Alter verbogenen Holzdielen zu mustern, dass er müde wirkte. „Letzten Endes ist es egal – die Straßen stinken sowieso schon zum Himmel. Hauptsache raus aus diesem Käse und diesem Zimmer damit.“
Er hatte Recht – Germaine dachte lieber nicht daran, was die Leute dreimal täglich aus ihren Häusern auf die zu kleinen Rinnsale an den Straßenseiten kippten. Die ockerfarbenen Pfützen, vermischt mit Essensresten und Tierknochen, sprachen Bände. „Gut, dann auf gut Glück raus mit dem Käse-Gestank. Und weiter?“
„Nun, jetzt hättest du einen nicht mehr stinkenden, nicht mehr vom Schimmel befallenen Käse, der immer noch alt und zusammengesunken ist.“
„Ah, also brauche ich Frische und … Feuchtigkeit?“
„Exakt. Und woher bekommst du diese?“
„Na, die Frische könnte ich aus den Blumen in dieser Vase nehmen. Außer es stört dich, weil du sie mir heute gepflückt hast?“
Miłosz lehnte sich so weit nach hinten, dass er nur noch mit den Händen die Stuhllehne vor sich griff, und lachte lauthals. „Ich bin Magier! Was kümmert es mich? Wenn die Blumen vertrocknet sind –“
„Mahlst du irgendein skurriles Pulver daraus, um bei nächster Gelegenheit Rattenkot nach Fleischbällchen schmecken zu lassen, schon klar.“
Der Magier zuckte mit den Schultern. „Man kann nie genug nützliche Talente haben. Funktioniert jedes Mal, wenn ich Leute mit Essen bestechen will.“
Germaine zog eine Braue hoch, beließ es aber dabei. Sie mochte selbst seine Neigung dazu, aus Scheiße etwas mehr oder minder Nützliches zu zaubern. Auch wenn sie manchmal beim besten Willen nicht wusste, wieso. „Nun gut. Auf Wiedersehn, frische Wiesenblumen. Und die Feuchtigkeit?“
„Sieh dich um in unserem Liebesnest.“
„Miłosz!“
Er hob zweimal kurz die Brauen hoch. Trotz der albernen Geste wurde Germaines Gesicht warm und sie lachte auf. Dann ließ sie den Blick schweifen, dieses Mal genauer: Über den Bettlaken die zwei Kissen, die eng aneinander geschmiegt waren und ihr das Herz aufgehen ließen wie Kuchenteig. Der Tisch, auf dem neben den Pulvern und Flüssigkeiten auch ein länglicher Zinnteller mit einer Baguettehälfte und einem kleinen Messer thronten, als Ergänzung zu dem leider noch immer schimmligen Käse. Die Flasche Weißwein – es war Sommer und niemand trank hier noch Rotwein – mit dem Korken im Flaschenhals und den zwei Gläsern daneben, die Trinkspuren von gestern Abend hatten. Miłosz, der sie mit einer unvergleichlichen Geduld musterte und sich wieder vorgelehnt hatte, sodass sein schwarzer Magierumhang mit den goldenen Sternen fast ungehindert bis zum Boden floss wie das Ebenbild einer der sternenklaren Sommernächte hier auf dem Land.'
Die Kommode neben der Tür mit – ah! mit einem Krug Wasser. Die hatte sie eben noch völlig übersehen. Sie zeigte mit dem Finger darauf.

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[Fortsetzung folgt am 23.02.25 - in Teil 2]

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